Empfehlungen der TLPK zur Nachhaltigkeit an den Thüringer Hochschulen

Einleitung

Nachhaltigkeit ist eines der zentralen Themen der Gegenwart und Grundlage einer zukunftsorientierten gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat bereits 2017 einen Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausgerufen und fördert mit der aktuellen Programmlinie „Transformationspfade für nachhaltige Hochschulen“ (2022 bis 2026) die Erforschung klimaneutraler Hochschulen und die Entwicklung einer Kultur der Nachhaltigkeit an Hochschulen sowie die Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Thüringer Hochschulen verstehen sich daher als gesellschaftliche Akteure mit Schlüsselfunktion für die Entwicklung zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Gesellschaft unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Thüringen und insgesamt im Sinne der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Sie fördern durch ihre Forschung technische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Innovationen, stoßen durch Lehre und Transfer wichtige Diskussionen und Maßnahmen an, implementieren Nachhaltigkeit in ihren Strategien und Hochschulstrukturen und transformieren ihre Einrichtungen gemäß nachhaltigen Vorgaben. Zahlreiche Maßnahmen hierzu sind bereits durch die Mitglieder der TLPK umgesetzt worden. Mit diesem Papier adressiert die TLPK weitere Bedarfe zur verstärkten Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen an den Thüringer Hochschulen und leitet darauf aufbauend Empfehlungen ab.

Bedarfe und Empfehlungen

Nachhaltige Maßnahmen sind nur im Sinne eines whole-institution approach effektiv umsetzbar und müssen daher für alle Bereiche der Hochschule gedacht und mit langfristiger Wirksamkeit angewandt werden. Für vier Handlungsfelder (Forschung, Lehre & Transfer – Hochschulbetrieb – Hochschulbau – Governance) wurden hierfür Bedarfe identifiziert. Den Hochschulen müssen dabei Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung geschaffen werden, ohne dabei zusätzliche Berichtspflichten aufzubürden oder in deren Autonomie einzugreifen. Die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen erfordert von allen Akteuren und Akteurinnen eine hohe Dynamik und Innovationsfähigkeit und setzt dabei flexible Vorgaben und effiziente Prozesse voraus.

1. Bedarfe und Empfehlungen in Forschung, Lehre & Transfer

Forschung, Lehre und Transfer sind Kernaufgaben der Hochschulen. Während Forschung nachhaltige Entwicklungen und Innovationen vorantreibt und so Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme entwirft, sollen in der Lehre Methoden und Inhalte vermittelt werden, um Studierenden Nachhaltigkeitskompetenzen zu vermitteln. Um dem Anspruch eines Schlüsselakteurs in der Gesellschaft gerecht zu werden, müssen diese Innovationen und Kompetenzen durch verschieden Maßnahmen in die Gesellschaft gebracht werden. Hierzu ist es notwendig, dass

  • Nachhaltigkeit in der Lehre und in öffentlichen Veranstaltungen stärker forciert wird, um so relevante Fähigkeiten und Kenntnisse für eine nachhaltige Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft zu vermitteln;
  • Lehr- und Lernprojekte zum Thema Nachhaltigkeit auch hochschulübergreifend weiter ausgebaut und gefördert werden (siehe beispielsweise der CZS-Antrag „Nachhaltigkeit in der Lehre“ mit der Beteiligung von sieben Thüringer Hochschulen);
  • Lehr- und Weiterbildungsangebote zum Thema Nachhaltigkeit auch für Beschäftigte der Hochschulen geöffnet werden.

Daraus ableitend ergeben sich folgende Empfehlungen:

  • Themen der Nachhaltigkeit in der Lehre sowie im Transfer sollten durch eine stärkere Anreizschaffung gefördert werden. Hierzu bietet sich die Etablierung sowie der Ausbau eines landesweiten Förderprogramms mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit in der Lehre an (Bsp. Baden-Württemberg).
  • Der Freistaat sollte die Bereitschaft zeigen, Professuren mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit konsequent in der Thüringer Hochschullandschaft durch zusätzliche Fördermittel zu verankern.
  • Zur Steigerung der Attraktivität und Flexibilität von hochschulübergreifenden Lehr- und Lerneinheiten ist die Vergabe und Anrechenbarkeit von Microcredentials für Studiengänge und Weiterbildungsangeboten für Studierende und ggf. Externe ein sinnvolles Instrument. Die Etablierung von Microcredentials bietet zudem verschiedene Optionen der strategischen Entwicklung und Profilierung der Hochschulen.
  • Das Jahresfortbildungsprogramm für die Bediensteten der Thüringer Landesverwaltung sowie die hochschulinternen Weiterbildungsprogramme sollten ein breiteres Angebot mit nachhaltigen Lehr- und Weiterbildungsinhalten bieten.

2. Bedarfe und Empfehlungen im Hochschulbetrieb

Mit Blick auf den Hochschulbetrieb lassen sich in den bestehenden Vorgaben für Dienstreisen und Mobilität sowie der Beschaffung von Nutzfahrzeugen Potenziale für eine Stärkung nachhaltiger Entwicklung identifizieren:

  • Rechtliche Vorgaben für Dienstreisen und Mobilitätsangebote für Beschäftigte der Hochschulen privilegieren bisher die Nutzung von PKW und Flugreisen, anstatt attraktive Anreize für die Nutzung klimafreundlicher und nachhaltiger Mobilität zu schaffen.
  • Die Ersetzung von Nutzfahrzeugen mit Verbrennern durch einen emissionsärmeren Fuhrpark-, ist bisher durch rechtliche Rahmenbedingungen nur eingeschränkt möglich, obwohl dies im Hinblick auf längerfristige Anschaffungs- und Unterhaltungskosten gerechtfertigt wäre.

Es wird daher empfohlen, das ThürRKG so anzupassen, dass gegenüber PKW oder Flugreisen zusätzliche Anreize bei der Nutzung klimafreundlicher Beförderungsmöglichkeiten geschaffen werden. Denkbar hierbei ist die Möglichkeit, die Abrechnungen von Bahnfahrten in der 1. Klasse oder die Verwendung von Schlafwagen zu legitimieren. Bei der Nutzung weniger klimafreundlicher Transportmittel sollten CO2-Kompensationen ermöglicht werden (z.B. bei dem Kauf von Flugtickets). Zudem sollte der Freistaat Thüringen prüfen, wie das Deutschlandticket für die Beschäftigten der Hochschulen attraktiv gemacht werden kann, um Fahrten zur Arbeit klimafreundlicher zu gestalten. Die Hochschulen des Landes sollten die Möglichkeit erhalten, verschiedene Angebote eines nachhaltigen Mobilitätsmanagements ausprobieren zu können. Hierunter fallen Sharing- und Leasingangebote (Carsharing und Dienstfahrräder) bis hin zu niedrigschwelligen Angeboten wie die Einrichtung digitaler Mitfahrbörsen.

Um einen nachhaltigen Fuhrpark zu realisieren, in dem bestehende Verbrenner, wo möglich, durch klimafreundlichere E-Wagen ersetzt werden, ist eine Novellierung der DKfzRL notwendig. Hierbei ist neben der Anpassung der Kostensätze und der Einbeziehung des CO2Ausstoßes beim Vergleich der Fahrzeugklasse auch eine Erhöhung der Beschaffungsgrenze zu prüfen. Langfristig wird empfohlen, Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine möglichst autarke Infrastruktur für Elektromobilität auf den Campus aufbauen zu können, z.B. durch die Installation von Ladestationen, die über EE-Anlagen gespeist werden (ggf. durch Kooperationsvereinbarungen mit der Privatwirtschaft).

3. Bedarfe und Empfehlungen in Hochschulbau und Flächenmanagement

Eine moderne, nachhaltige Hochschulinfrastruktur ist Aushängeschild eines attraktiven und wettbewerbsstarken Hochschulstandardorts Thüringen. Nachhaltiges Bau- und Flächenmanagement verbessert die eigene CO2-Bilanz und trägt langfristig zu einer Senkung der Energiekosten bei. Angesichts der jüngsten Preisentwicklungen auf dem Energiemarkt hat die Notwendigkeit zur Nutzung alternativer Energien und Maßnahmen zum Einsparen bei Energiekosten an den Hochschulen noch einmal an Relevanz gewonnen. Vielversprechende Maßnahmen stellen dabei die verstärkte Zahl an Neuinstallationen von EE-Anlagen, energetische Sanierungsmaßnahmen oder die Gestaltung nachhaltiger Campus dar. Diesen notwendigen Bedarfen stehen hohe Anschaffungskosten, langwierige Prozesse der Beantragung und Realisierung sowie teils gesetzliche Maßnahmen gegenüber:

  • Die Installation von EE-Anlagen (PV, Solar, Geothermie, Winde oder Abwärme) sollten stärker als bisher durch zusätzliche Mittel des Landes gefördert werden.
  • Mit Blick auf bauliche Vorgaben sollte eine Vermittlung zwischen DenkmalschutzRegelungen und dem Verbauen neuer nachhaltiger Techniken und Energieträger umfänglicher als bisher erfolgen.
  • Die Verfahren bei der Installation von Photovoltaikanlagen auf allen landeseigenen Immobilien, wie es durch den Beschluss des Thüringer Landtags 2016 vorgesehen war, sollten hinsichtlich einer Vereinfachung und Beschleunigung überprüft werden.
  • Es wird empfohlen, wenn möglich, statt kleinteiliger Sanierungsmaßnahmen in Form von „Insellösungen“ den Fokus auf energetische Grundsanierungen zu legen. Dies schafft größeren Spielraum bei Sanierungsmaßnahmen und verhindert redundante Arbeitsschritte, die bei mehreren Einzelmaßnahmen anfallen können.
  • Der Dynamik neuer nachhaltiger Lern- und Arbeitsplatzentwicklung folgend, werden flexible Lern- und Büroraumnutzungsmodelle auch im Hinblick auf Flächenauslastung bzw. Flächenreduzierung in Zukunft wichtiger (Open-Office, Share-Desk). Hierzu sollten Multifunktionsräume eingerichtet und ausgestattet werden. Es wird empfohlen zu prüfen, ob auch die gesetzlichen Regelungen im Bereich des Beschaffungswesens ausreichend flexibilisiert ist, um den Hochschulen genügend Freiheit zu geben, die hierfür notwendigen nachhaltigen Produkte zu erwerben.
  • Es wird eine Änderung hinsichtlich der notwendigen Stellplatznachweise bzw. der Stellplatzverordnung nach § 49 der ThürBO angeregt, um verstärkt Fläche auf dem Campus zu entsiegeln und nachhaltigen Gestaltungsmöglichkeiten (bspw. Steigerung der Biodiversität durch Grünanlagen, Retentionsteichen etc.) zur Verfügung zu stellen.

4. Bedarfe und Empfehlungen in der Hochschul-Governance

Die Thüringer Hochschulen bekennen sich zu ihrer Nachhaltigkeitsverantwortung und haben Strukturen geschaffen, mit denen an den jeweiligen Einrichtungen das Thema Nachhaltigkeit konsequent weiterentwickelt und umgesetzt wird. Dies sollte durch die Schaffung von hochschuleigenen Nachhaltigkeitsstrategien und Nachhaltigkeitskonzepten zusätzlich lanciert werden. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit bestehenden Kooperationen in anderen Themenfeldern (bspw. ThHoBi, HS-ITZ, Allianz THÜR ING) wird empfohlen, dass die Thüringer Hochschulen auch im Bereich der Nachhaltigkeit verstärkt zusammenarbeiten und so Synergieeffekte herstellen. Langfristig sollte geprüft werden, ob Nachhaltigkeit stärker als bisher in den ZLV implementiert werden kann und die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen hierbei honoriert wird.